Bildgebung

MRT: Der lange Weg zum Patienten

4min
Philipp Grätzel von Grätz
Veröffentlicht am November 19, 2020

Die spannende Innovationsgeschichte der Magnetresonanztomographie (MRT) umfasst viele Jahrzehnte – wenn nicht sogar Jahrhunderte – und zwei Nobelpreise. Dass jetzt weltweit MRT-Geräte in der Patientenversorgung im Einsatz sind, ist aber auch ein Verdienst der industriellen Forschung und Entwicklung.

Wo anfangen? Wie viele technische Innovationen hat die MRT keine eindeutige Geburtsstunde. Wer ganz früh anfangen will, kann über 200 Jahre zurückgehen, in das Frankreich Napoleons. Dort entwickelte Jean-Baptiste Fourier das nach ihm benannte mathematische Verfahren der Fourier-Transformation. Es ist bis heute die Grundlage für die Berechnung von MRT-Bildern – auch wenn Fourier natürlich weder Atomkerne noch Elektromagneten noch elektrischen Strom kannte.
Nikola Tesla in his laboratory.
Ein Jahrhundert später ist der serbische Elektrotechniker und Erfinder Nikola Tesla ein weiterer legitimer Ahnherr der MRT. Tesla war ein Universalgenie: In mehr als 20 Ländern meldete er knapp 300 Patente an. Außerdem sprach er mindestens acht Sprachen fließend. Neben vielen anderen Entdeckungen beschrieb er, wie Magnetfelder entstehen und welche Eigenschaften sie haben. Das brachte ihm Unsterblichkeit: Sein Nachname wird heute als Einheit für die Stärke von Magnetfeldern verwendet. Die modernen MRT-Geräte in Krankenhäusern sind meist 1,5-Tesla-Maschinen.
Die für die spätere Entwicklung der MRT wohl wichtigsten Grundlagenforscher waren der Schweizer Felix Bloch und der US-Amerikaner Edward Purcell. Sie zeigten, dass Atomkerne in einem Magnetfeld Radiofrequenzimpulse aufnehmen können, sofern diese Impulse dieselbe Frequenz haben wie jene, mit der die Atomkerne schwingen. Dieses Phänomen hieß ab damals Magnetresonanz, und Bloch und Purcell bekamen für ihre Entdeckung, die sie unabhängig voneinander gemacht hatten, 1952 den Nobelpreis für Physik.
The first wooden MR research laboratory, Erlangen, 1979.

In den zwei Jahrzehnten nach dem Physik-Nobelpreis wurde die Magnetresonanztechnologie für Zwecke der Spektroskopie genutzt, also im Bereich der Materialwissenschaften: Die nach der magnetischen „Aktivierung“ eines Materials zurückgeworfenen Radiowellen erlaubten Rückschlüsse auf die Inhaltsstoffe des untersuchten Materials. Für einen Einsatz im Rahmen der medizinischen Diagnostik fehlte noch die Möglichkeit, die Signale räumlich zuzuordnen. Die dafür nötigen, zusätzlichen Magnetfelder – Gradientenfelder genannt – führte der US-Amerikaner Paul Lauterbur 1973 ein. Und der Brite Peter Mansfield entwickelte ab 1974 die auf Fourier zurückgehenden, mathematischen Methoden, die es erlauben, Radiofrequenzsignale in Bildsignale umzuwandeln. Dreißig Jahre später, im Jahr 2003, werden Lauterbur und Mansfield dafür den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhalten. Der Schotte Raymond Damadian, der in den 1970er-Jahren maßgeblich zur Etablierung der MRT an Lebewesen beigetragen hatte und 1977 das erste Bild des menschlichen Körpers anfertigte, ging bei der Nobelpreisvergabe leer aus.

Die MRT der frühen 1970er-Jahre war ein hochexperimentelles Verfahren, das mit der medizinischen Versorgung noch nichts zu tun hatte. Das änderte sich später im Jahrzehnt, als Medizintechnikunternehmen begannen, sie zu einer anwendbaren diagnostischen Methode weiterzuentwickeln.
MR image of a bell pepper, 1980.
Ein globaler Vorreiter war dabei das Unternehmen Siemens in Erlangen, bis heute Markt- und Innovationsführer bei dieser Technologie. Im Jahr 1978 fertigte ein Prototyp-MRT-Scanner von Siemens das erste MRT-Bild in Deutschland an – von einer Paprika. Im März 1980 legte sich dann der Siemens-Physiker Alexander Gassen selbst acht Minuten lang in die Röhre – für ein Bild seines Schädels. Eine Ganzkörperuntersuchung folgte noch im selben Jahr.
Richtig spannend wurde es in Sachen klinischer Nutzung der MRT im Jahr 1983. Denn da passierten gleich mehrere Dinge. Zum einen meldete die Schering AG das Patent für das MRT-Kontrastmittel Gadolinium-DTPA an. Ab den späten 1980er-Jahren wird dieses Kontrastmittel unverzichtbar werden.
Tesla magnet with Faraday cage, 1979.
Im Januar 1983 installierte Siemens an der Medizinischen Hochschule Hannover zudem sein erstes klinisches MRT-Gerät als Prototyp. Dort wurden in der Folge im Rahmen klinischer Tests über 800 Patienten untersucht – auf einer Patientenliege aus Holz. Im August 1983 wurde das weltweit erste kommerzielle MRT-Gerät am Mallinckrodt Institute in St. Louis, Missouri, in Betrieb genommen – ein Siemens Magnetom. Das erste deutsche Magnetom erhält die Radiologiepraxis Armin Kühnert in Dietzenbach. Es begann ein mehrjähriger Rollout von etwa 150 Geräten der ersten Generation, vor allem in den USA und Japan. Die Geräte nutzten Magnetfelder von 0,35 Tesla, 0,5 Tesla und dann auch bereits 1,5 Tesla. Sie sahen aus wie riesige Waschmaschinen und benötigten enorm viel Platz; etwa 140 qm bei der 1,5 Tesla Version des Magnetom.
Examination with the first MAGNETOM, 1983.

In dem auf die Erstinstallation folgenden Jahrzehnt wurde die MRT-Technik zunehmend nutzerfreundlicher. Unter anderem dank besserer Abschirmung der supraleitenden Magneten sanken der Platzbedarf und die Zahl der nötigen Helium-Füllungen, sodass es immer mehr Einrichtungen ermöglicht wurde, ein MRT-Gerät zu installieren. Die MRT erschloss sich auch neue Anwendungsgebiete. Ein wichtiger Meilenstein war Ende der 1980er-Jahre die Kopplung der MRT-Messungen an ein während der Untersuchung abgeleitetes EKG, das „EKG-Gating“. Damit wurde es möglich, das Herz in einer ganz bestimmten Phase des Herzzyklus aufzunehmen, und nur dort. Das beseitigte die durch den Herzschlag sonst unvermeidliche Bewegungsunschärfe – es war der Anfang des Siegeszugs der MRT in der Kardiologie.


Examination with the first MAGNETOM, 1983.

Es ist leichter als Luft und vermag Ballons mühelos zum Fliegen zu bringen. Die Rede ist von Helium. Ein verblüffendes Element, das auch in der Magnetresonanztomographie eine tragende Rolle spielt.

A greener footprint in MRI
In den 1990er- und 2000er-Jahren haben Medizintechnikhersteller die MRT-Technologie kontinuierlich weiterentwickelt, bis an die Grenze der technischen Möglichkeit. So stieg die Leistung weiter an, bis hin zu den ab der Jahrtausendwende erhältlichen Ultrahochfeldsystemen mit Magnetfeldern der Stärke 7 Tesla und mehr. Fortschritte gab es auch bei den Spulen: Technologien wie die 2003 entwickelte Total Imaging Matrix machten komfortablere und vor allem schnellere Ganzkörperuntersuchungen möglich. Gleichzeitig konnte die MRT-Öffnung von engen 60 cm auf für Patienten angenehmere 70 cm erweitert werden. Auch die Arbeitsabläufe wurden stark optimiert, und der Nutzerkomfort stieg, weil viele Bedienungsschritte automatisiert wurden, die anfangs manuell eingestellt werden mussten.
Der letzte große Meilenstein in der Geschichte der MRT-Entwicklung wurden im Jahr 2010 erreicht. In diesem Jahr stellte Siemens Healthineers ein Hybridgerät vor, das einen MRT-Scanner und einen Positronenemissionstomographie (PET)-Scanner in einem Gerät vereint. Diese Innovation „verheiratete“ die millimetergenaue Weichteilanatomie der MRT mit der molekularen Bildgebung der PET. Das eröffnete nicht zuletzt in der Krebsmedizin neue Horizonte.

Von Philipp Grätzel von Grätz

Philipp Grätzel von Grätz lebt und arbeitet als freiberuflicher Medizinjournalist in Berlin. Seine Spezialgebiete sind Digitalisierung, Technik und Herz-Kreislauf-Therapie.