Bildgebung

Wer klopft denn da?

Die MRT-Technologie ist eine der großen Errungenschaften der Medizintechnik - entdecken Sie 12 Dinge, die kaum bekannt sind.

6min
Philipp Grätzel von Grätz
Veröffentlicht am November 26, 2020

Die Magnetresonanztomographie ist seit Jahren Teil des medizinischen Alltags. Die großen Röhren erzeugen faszinierende Bilder. Kein Wunder, dass die MRT als Krone der Diagnostik gilt. Wie genau funktioniert die MRT, und was ist das Besondere an ihr? Eine Annäherung in zwölf Fragen.


Die MRT erzeugt Schnittbilder des Körpers, und zwar in beliebiger Raumrichtung. In der Regel nutzen Radiologen „axiale“ Schnitte: Der Körper wird dazu in horizontale Schichten zerteilt, und betrachtet werden diese Schichten von unten. Die rechte Körperhälfte des Patienten befindet sich also im MRT-Bild links. Neben den axialen sind auch „sagittale“ und „koronare“ Schnitte möglich. Beim sagittalen Schnitt geht eine senkrechte Schnittebene „wie ein Pfeil“ (lat. „sagitta“) durch den Körper. Der Betrachter blickt dann seitlich in den Körper hinein. Auch die koronare Schnittebene ist eine senkrechte Ebene, die frontal vor dem Betrachter liegt, wie eine Fensterscheibe. Der Blick geht von vorne in den Patienten, ähnlich wie bei Standard-Röntgenbildern des Brustkorbs.

Zu den Hauptanwendungsgebieten der MRT gehören die Darstellung des Gehirns, von Entzündungen, Krebs, Muskeln und Gelenken, Blutgefäßen und des Herzens.

Major fields of application of MRI include visualizing the brain, inflammation, cancer, muscles and joints, blood vessels and the heart.
In der Medizin lässt sich die MRT für sehr viele Fragestellungen einsetzen, und es werden immer mehr. Ein wichtiges Einsatzgebiet ist die Darstellung von Gehirn und Rückenmark bei neurologischen Erkrankungen, bei Schlaganfällen und in der Krebsmedizin. Auch bei anderen Krebserkrankungen ist die MRT fest etabliert – etwa beim Leberkrebs oder, neu in den letzten Jahren, beim Prostatakrebs. Im Bereich des Bewegungsapparats ist die MRT die Methode der Wahl, wenn Muskeln und die Feinstruktur der Gelenke beurteilt werden sollen. Ebenfalls fest etabliert ist die Methode bei der Darstellung von Blutgefäßen und Blutgefäßanomalien. Aussackungen der Hauptschlagader oder der Kopfarterien lassen sich zum Beispiel sehr gut abbilden. Und schließlich ist die MRT-Bildgebung des Herzens ein Gebiet, das einen großen Aufschwung erlebt.
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Die CT ist besser als die MRT dafür geeignet, Knochen und Knochenbrüche darzustellen. Deswegen teilen sich MRT und CT die diagnostische Verantwortung bei Erkrankungen des Bewegungsapparats. Ebenfalls Vorteile hat die CT überall dort, wo Luft vorkommt, insbesondere in der Lunge, aber auch bei Hohlorganen im Bauchraum. Die MRT wiederum ist deutlich überlegen bei der Darstellung von Weichgeweben aller Art, weil hier bereits kleinste Unterschiede z.B. im Wassergehalt zu sichtbaren Kontrastunterschieden führen. Unabhängig davon hat die MRT zwei andere, wichtige Vorteile: Zum einen handelt es sich um ein Verfahren, das keine ionisierende Strahlung, also keine Röntgenstrahlen, verwendet. Damit sind auch mögliche Strahlenschäden kein Thema. Der zweite Vorteil ist, dass die MRT nicht nur die Anatomie abbildet. Vergleichsweise unkompliziert lässt sich auch die Funktion eines Gewebes untersuchen. Das ist unter anderem bei Untersuchungen des Gehirns relevant, wo sich mit der MRT zeigen lässt, welche Hirnregionen gerade sehr aktiv sind und welche weniger.
Einige MRT-Untersuchungen können ohne Kontrastmittel durchgeführt werden. Für andere, etwa für die Darstellung der Muskulatur oder des Herzens, ist ein Kontrastmittel sehr hilfreich. Zum Einsatz kommt dabei in der Regel das Metall Gadolinium. Gadolinium-haltige Kontrastmittel kommen ohne Iod aus und sind daher für die Schilddrüse unproblematischer als CT-Kontrastmittel. Auch die Nieren kommen mit MRT-Kontrastmitteln meist besser klar. Trotzdem gilt auch bei der MRT: Kontrastmittel sollten nur dann eingesetzt werden, wenn sie medizinisch nötig sind.

Wenn man einen Menschen in das extrem starke Magnetfeld eines MRT-Gerätes legt, richten sich die Wasserstoffkerne mit ihren Mini-Magnetfeldern an den Magnetfeldern des MRT aus und drehen sich im Gleichschritt.

Was schwingt denn da während einer MRT?
Jetzt wird es technisch. Was in der Standard-MRT zu sehen ist, sind letztlich Reaktionen von Wassermolekülen. Diese enthalten zwei Wasserstoffkerne oder Protonen mit positiver Ladung, während das Wassermolekül in Richtung des Sauerstoffatoms negativ geladen ist. Wo elektrische Ladungen sind, entsteht ein elektrischer Strom, und wo ein kleiner elektrischer Strom ist, entsteht ein kleines Magnetfeld. Jedes Proton hat also sein eigenes, klitzekleines Magnetfeld. Es bewegt sich, weil Protonen sich immer ein wenig drehen: Die Wasserstoffkerne haben einen „Spin“, daher auch der Begriff „Kernspin-Tomographie“. Die Frequenz dieser Bewegung nennen MRT-Experten die Präzessionsfrequenz. Außerhalb eines MRT-Geräts haben die vielen Millionen kleinen Magnetfelder der Wassermoleküle im menschlichen Körper unterschiedliche Richtungen und heben sich gegenseitig auf: Ein Mensch ist mehr oder weniger magnetisch neutral. Anders sieht es aus, wenn dieser Mensch in ein MRT-Gerät kommt, denn dort gibt es ein sehr starkes Magnetfeld. Die Folge: Die Wasserstoffkerne mit ihren Mini-Magnetfeldern richten sich entlang des MRT-Magnetfelds aus und drehen sich im Gleichschritt. Bis jetzt gibt es noch kein Bild. Bilder entstehen, wenn die in Reih und Glied sich drehenden Protonen und ihre kleinen Magnetfelder mit Hilfe zusätzlicher Hochfrequenzimpulse „bewegt“ oder genauer „gekippt“ werden. Dieses „Kippen“ ist eine Art Resonanzphänomen, denn die Frequenz der Impulse entspricht dem Spin der Protonen. Daher der Name Magnetresonanztomographie. Sobald der Hochfrequenzimpuls ausgeschaltet wird, „kippen“ die Protonen in ihre ursprüngliche Position zurück. Dabei entsteht eine elektromagnetische Welle, und die lässt sich mit einer Antenne messen. Kurz gesagt: Wo mehr Wasser ist, da ist mehr Signal. Deswegen lassen sich mit der MRT insbesondere Wassereinlagerungen in Gewebe („Ödeme“) extrem gut nachweisen. Aber auch wasserarme Strukturen, wie zum Beispiel Vernarbungen, grenzen sich gut von der Umgebung ab.

Ein MRT ist aufgebaut wie eine russische Puppe: Die supraleitende Magnetspule befindet sich ganz außen im MRT-Gerät. Dann kommen die Gradientenspulen. Und im Inneren befinden sich die Körperspulen.

An MRI is structured like a Russian doll: the superconducting magnetic coil is placed on the very outside of the MRI machine. Then come the gradient coils. And on the inside are the body coils.
Aber sicher doch. Das starke, statische Magnetfeld von MRT-Geräten wird durch eine supraleitende Magnetspule erzeugt. Die ist ganz außen im MRT-Gerät und wiegt mehrere Tonnen. Nach innen geht es dann weiter wie bei den russischen Matrjoschka-Puppen. Die nächste Schicht sind drei so genannte Gradientenspulen. Auch sie erzeugen Magnetfelder, und diese Magnetfelder bewirken, dass das einheitliche, statische Magnetfeld des supraleitenden Magneten in alle Raumrichtungen ein Gefälle bekommt. Erst dadurch können die elektromagnetischen Impulse, die die Protonen beim Sprung zurück in die Ausgangsposition aussenden, auch genau lokalisiert werden. Auf der Innenseite der Gradientenspulen befinden sich die Körperspulen. Die sind für die besagten Hochfrequenzimpulse zuständig. Und dann gibt es als Empfänger noch Antennen, die als kleine Spulen direkt auf dem Patienten liegen, je nachdem, welches Organ genau dargestellt werden soll.
Im Prinzip ja, allerdings lässt sich da auch noch eine ganze Menge einstellen. Diese Einstellungen machen die MRT, zumindest die bisher erhältlichen Geräte, vergleichsweise kompliziert. Das ist – neben den hohen Preisen der Geräte und den räumlichen Anforderungen – der Hauptgrund dafür, warum viele Ärzte bzw. medizinische Einrichtungen sich an diese diagnostische Methode nicht herantrauen. Die MRT wird deswegen weniger eingesetzt als man könnte. Es gibt verschiedene Einstellungsmöglichkeiten. Wenn die Protonen bei der MRT in die Ausgangsposition zurückspringen, dann dauert es eine (kurze) Weile. Diese „Relaxationszeit“ ist unterschiedlich in der Längs- und in der Querachse. Je nachdem, welche Information stärker berücksichtigt wird, sieht der Kontrast im Bild ein bisschen anders aus. Das ist das, was sich hinter den Begriffen T1-Wichtung und T2-Wichtung verbirgt – ein unterschiedlicher Bildeindruck durch unterschiedliche Gewebeeigenschaften wird besonders betont. Wassereinlagerung im Gewebe zum Beispiel lässt sich in einer T2-Wichtung eindeutiger darstellen als in einer T1-Wichtung. Es gibt auch diverse Einstellungsmöglichkeiten bei den Hochfrequenzimpulsen und den Gradientenspulen. Am Ende nutzen die Radiologen für unterschiedliche Fragestellungen unterschiedliche Abfolgen von Magnetimpulsen. Diese Abfolgen heißen „MRT-Sequenzen“, und sie werden mit kryptischen Buchstabenkürzeln bezeichnet, zum Beispiel SE, FLAIR, DWI oder DTI.

Ein 3-Tesla-MRT-Gerät erzeugt ein Magnetfeld, das etwa sechzigtausendmal stärker ist als das der Erde.

Magnetfeldstärke im Vergleich
Der supraleitende Hauptmagnet des MRT-Geräts ist ständig eingeschaltet und sehr stark. Ausgedrückt wird diese Stärke in Tesla. Im klinischen Einsatz sind MRT-Geräte mit 1,5 Tesla und mit 3 Tesla. Es gibt auch MRT-Geräte mit 7 und mehr Tesla. Ein 3 Tesla MRT erzeugt ein Magnetfeld, das etwa 60.000 Mal so stark ist wie das Erdmagnetfeld. Für den Menschen, der sich ja nur kurz ins MRT-Gerät begibt, ist das ungefährlich. Es sind allerdings einige Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit MRT-Geräten erforderlich. Magnetische Gegenstände dürfen nicht in ihre Nähe gelangen, sie würden sonst schlagartig und mit großer Kraft angezogen. Je nachdem, um was es sich handelt, können sich dadurch Patienten verletzen, oder das Gerät kann Schaden nehmen.
Es gibt tatsächlich einige Patienten, bei denen die MRT Probleme bereitet. Patienten mit Implantaten, die magnetisches Material enthalten, können zum Beispiel nicht in der MRT untersucht werden. Deswegen gehen einige Hersteller von Schrittmachern zunehmend dazu über, MRT-kompatible Schrittmacher anzubieten, bei denen nicht-magnetische Materialien verwendet werden. Eine zweite Herausforderung stellen stark übergewichtige Patienten dar. Sie könnten in die MRT-Öffnung, die bisher meist 60 bis 70 Zentimeter Durchmesser hat, schlicht nicht hineinpassen. Aber auch bei Patienten, die an Klaustrophobie leiden und nicht zumindest einige Minuten lang ruhig und angstfrei in der MRT-Röhre liegen können, kann eine MRT unmöglich sein.
Der limitierende Faktor ist der supraleitende Magnet. Um hier ein konstantes Magnetfeld zu erzeugen, ist extrem viel Energie nötig. Nur so als Hausnummer: Ein Standard-MRT-Gerät hat eine Leistung von ungefähr elf Formel-1-Autos. Das wird nicht einfacher, wenn die Öffnung größer wird. Größere Öffnungen erfordern deutliche Änderungen im Design der MRT-Geräte, und auch dann ist das alles andere als einfach umzusetzen.

Mit den Magnetspulen, dem Kühlsystem und allen Einrichtungen, die zur Stabilisierung der Maschine erforderlich sind, wiegt ein Scanner schließlich zwischen sechs und sieben Tonnen.

With the magnetic coils, the cooling system, and all the equipment required to stabilize the machine, a scanner ends up weighing between six and seven tons.
Auch das hängt wesentlich mit dem Hauptmagneten zusammen. Damit dieser überhaupt sinnvoll betrieben werden kann, muss die Spule, die das Magnetfeld erzeugt, supraleitend sein. Um das zu erreichen, ist eine Kühlung mit mehreren hundert Litern flüssigem Helium nötig. Dadurch wird es dann ganz schön kalt: Im Inneren eines MRT-Geräts herrschen klirrende minus 269 Grad Celsius. Mit allem zusammen – den Magnetspulen, der Kühltechnik und dem stabilisierenden Drumherum – wiegt ein Gerät dann etwa zwischen vier und sieben Tonnen. Das geht in den meisten Gebäuden aus statischen Gründen nicht mehr überirdisch, sondern normalerweise ebenerdig oder eben im Keller.

Kernspintomographen machen durchaus Lärm. Je nach Gerät und verwendeter Sequenz kann der Lärm leicht Flugzeuglautstärken erreichen.

MRI scanners certainly make plenty of noise. Depending on the machine and the sequence used, the noise can easily reach aircraft volume levels.
MRT-Geräte machen Lärm, und gar nicht so wenig. Abhängig von Gerät und genutzter Sequenz kann das durchaus Flugzeuglautstärke erreichen. Viele Patienten denken, gerade bei den wäschetrocknerartigen Geräuschen, dass irgendetwas im MRT-Gerät mit Wucht um sie herumkreist und gegen das Gehäuse stößt. Keine angenehme Vorstellung. Tatsächlich ist das aber gar nicht der Fall. Die Geräusche entstehen im Wesentlichen durch die schon erwähnten Gradientenspulen, deren Magnetfeld das feste Magnetfeld des supraleitenden Magneten überlagern. Die zusätzlichen Magnetfelder sind nötig, damit das MRT-Signal genau lokalisiert werden kann. Und damit das funktioniert, müssen die Gradientenspulen ständig und schnell an- und ausgeschaltet werden, und zwar bei einer sehr hohen Stromstärke von bis zu 800 Ampère pro Millisekunde. Im Endeffekt verbiegen sich dadurch die Spulen und die Plastikstrukturen, in die die Spulen eingelassen sind. Je nachdem, mit welcher Frequenz die Gradientenmagnetfelder an- und ausgeschaltet werden, kommt es zu unterschiedlichen Vibrations- und Resonanzphänomenen. Das ist es, was klopft und hämmert.

Von Philipp Grätzel von Grätz

Philipp Grätzel von Grätz lebt und arbeitet als freiberuflicher Medizinjournalist in Berlin. Seine Spezialgebiete sind Digitalisierung, Technik und Herz-Kreislauf-Therapie.