Hybrid-OP rückt den Patienten in den Mittelpunkt

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Philipp Grätzel von Grätz
Veröffentlicht am 23. Juli 2018
Modern operating rooms combine diagnostics and therapy.

Patientenzentrierte Versorgung? Bei Operationen im Hybrid-OP ist das mehr als nur ein Slogan. Gute Planung und gelebte interdisziplinäre Zusammenarbeit gewährleisten, dass die Einführung der modernen Operationssäle, die Diagnostik und Therapie zusammenbringen, für das Krankenhaus eine Erfolgsgeschichte wird.

Fotos: Markus Zucker

Hybrid-OPs sind digital integrierte Operationssäle, die bildgebende Diagnostik sowie chirurgische und interventionelle Therapie in einem einzigen Raum vereinen. Anders als bei konventionellen OP-Sälen, in denen ein mobiler C-Bogen gelegentlich zur intraoperativen Bildgebung genutzt wird, sind CT- oder auch MRT-Systeme im Hybrid-OP fester Bestandteil der Raumarchitektur, sodass der Patient optimal und ohne Veränderung der Körperposition versorgt werden kann.
 

„Für mich ist der Hybrid-OP ein Musterbeispiel für eine Innovation, die wirklich einmal den Patienten in den Mittelpunkt stellt“, sagte Prof. Dr. Dr. Alfred Holzgreve. Bei einem Symposium „Hybrid-OP: Zusammenwachsen von Diagnostik und Therapie“ in Berlin diskutierte der Direktor Klinische Forschung beim Vivantes Netzwerk Berlin zusammen mit Experten aus Chirurgie, Krankenhausverwaltung und Industrie Einsatzmöglichkeiten des Hybrid-OP sowie optimale Strategien für die Implementierung solcher Operationssäle.
Aus medizinischer Sicht spreche unter anderem eine deutliche Verschlankung vieler perioperativer und perinterventioneller Prozesse für den Hybrid-OP, betonte Holzgreve. So müssten die Patienten weniger umgelagert oder hin und her geschoben werden. Im Vergleich zur Arbeit mit dem mobilen C-Bogen seien die Eingriffszeiten kürzer, wovon der Patient unter anderem durch kürzere Narkosezeiten profitiere. Auch präoperative Diagnostik lasse sich einsparen. Der Hybrid-OP erlaube es dem Chirurgen zudem, präziser als bisher zu arbeiten, betonte Dr. Josef Rosenbauer, Geschäftsführer der Diakonie in Südwestfalen gGmbH: „Wir sparen durch den Hybrid-OP beispielsweise Mehrfacheingriffe ein und verbessern so die Patientensicherheit.“

Alfred Holzgreve moderierte eine Paneldiskussion zu Hybrid-OPs am Hauptstadtkongress.

Viele Krankenhäuser führen heute Eingriffe durch, die sie nur mit mobilen C-Bögen nicht gemacht hätten. Das betrifft nicht zuletzt Implantationen fenestrierter und gebranchter Stents der Bauch- und Brustschlagader, die insbesondere im Bereich des Aortenbogens ohne Hybrid-OP kaum denkbar seien. Auch für komplexe Gefäßinterventionen am Unterschenkel, bei denen operative und interventionelle Therapie Hand in Hand gehen müssten, sei der Hybrid-OP prädestiniert.
Generell kann der Hybrid-OP immer dann all seine Stärken voll ausspielen, wenn es darum geht, Diagnose und Therapie möglichst eng zu verschränken. Als besonders markantes Beispiel dafür wurde die interventionelle Schlaganfalltherapie genannt. Hier erlaube es der Hybrid-OP, die Gefäßdiagnostik und die interventionelle Thrombektomie in einem Raum durchzuführen, ohne den Patienten zwischendurch umzulagern: „Auf diese Weise ließ sich bei einem Kunden die Zeit zwischen Eintreffen des Patienten und Thrombektomie von 60 auf 15 Minuten verkürzen“, sagte Peter Seitz, globaler Leiter Surgery der Business Area Advanced Therapies bei Siemens Healthineers AG.

Hybrid-OP war eines der Themen, die am Hauptstadtkongress diskutiert wurden.

Bei allen Vorteilen: Nicht in jedem Krankenhaus macht ein Hybrid-OP Sinn. Wenn es nicht gelingt, den Raum mit jenen Eingriffen auszulasten, für die er besonders geeignet ist, dann ist zu überlegen, ob die Mittel nicht anders besser investiert werden können. Ein wichtiger Bestandteil jeder Hybrid-OP-Planung sollte deswegen die Abstimmung mit allen relevanten Fachrichtungen sein. „Einen Hybrid-OP mit einer Fachrichtung alleine auszulasten, ist schwer. Deswegen steht eine Analyse der Fächerstruktur am Anfang“, betonte Rosenbauer. Am Diakonie-Klinikum in Siegen nutzen neben Gefäßchirurgen noch Neuro- sowie Unfall- und Wirbelsäulenchirurgen den Hybrid-OP. Zusammen lasten diese Fachrichtungen bald vielleicht sogar zwei Hybrid-OPs aus: Ein zweiter OP-Saal wurde für einen weiteren Hybrid-OP vorbereitet.

In einer Paneldiskussion am Hauptstadtkongress wurde die Umsetzung von Hybrid-OPs diskutiert.


Neben der Fächerstruktur sollte sich ein Klinikum, das sich mit dem Gedanken an den Erwerb eines Hybrid-OPs trägt, das Einzugsgebiet, die konkurrierenden Einrichtungen und nicht zuletzt die Personalsituation genau ansehen, betonte Rosenbauer: „Nötig sind Ärzte, die die Operationen, die der Hybrid-OP möglich macht, auch umsetzen können.“ Die gibt es nicht überall, und auch OP-Pfleger mit entsprechenden Kompetenzen seien unter Umständen nicht leicht zu bekommen. In Siegen wurde für die Gefäßchirurgie gleich ein komplettes OP-Team neu ans Haus geholt. In der Neuro-, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie war geeignetes Personal vorhanden.

Dass der Trend beim Hybrid-OP zur Multidisziplinarität geht, bestätigte auch Peter Seitz: „Bei der neuen Generation unserer Hybrid-OPs werden über 80 Prozent der Räume weltweit multidisziplinär genutzt.“ Insgesamt habe Siemens Healthineers derzeit weltweit bereits über 1000 Hybrid-OPs ausgestattet, davon rund zehn Prozent in Deutschland. Seitz betonte, dass sich die Hybrid-OPs seit ihrer Einführung stark weiterentwickelt hätten: „Die diagnostischen Möglichkeiten nähern sich den normalen diagnostischen Möglichkeiten in der Radiologie immer weiter an. Unsere Systeme ermöglichen heute eine 3D-Bildgebung innerhalb weniger Sekunden.“
Zugenommen habe in den letzten Jahren die Nutzung von Hybrid-OPs mit weiteren diagnostischen Modalitäten, insbesondere MRT: „Für Institutionen, die zum Beispiel neue Prozeduren entwickeln wollen, kann das viel Sinn ergeben“, so Seitz. Als Beispiel für ein kombiniertes Einsatzszenario nannte er Ablationen der Leber, bei denen die Nadelführung CT-gestützt und die Temperaturkontrolle bei der Kryoablation mit Hilfe der MRT erfolgen kann.



Zu den Zukunftsszenarien für Hybrid -OPs gehört der Einsatz von Augmented-Reality-Techniken und selbstlernenden Algorithmen, die den Chirurgen während der Operation in Echtzeit unterstützen. Seitz skizzierte eine Kombination aus einer intraoperativen 3D-Kamera und einer Datenbrille, mit deren Hilfe auf Basis von präoperativen 3D-Datensätzen eine Art Avatar des zu operierenden Organs, des Tumors oder der Blutgefäße ins OP-Feld projiziert werden kann. Aus Sicht des Chirurgen seien solche Entwicklungen zu begrüßen, so Holzgreve: „Wenn wir vor dem Schneiden wissen, wo der Tumor genau liegt, werden die Komplikationen geringer, das ist überhaupt keine Frage.“


Von Philipp Grätzel von Grätz
Philipp Grätzel von Grätz arbeitet als unabhängiger Journalist und Redakteur für medizinische Themen und Technikthemen in Berlin.