Nachhaltigkeit

Das flüssige Gold der Magnetresonanz-tomographie

Die Einsparung von seltenen Ressourcen ist heute unerlässlich. Doch wie kann die medizinische Bildgebung zur Nachhaltigkeit beitragen?

10min
Doreen Pfeiffer
Veröffentlicht am 4. März 2021

Es ist leichter als Luft und vermag Ballons mühelos zum Fliegen zu bringen. Taucher nutzen es als Zusatz im Atemgas um den sogenannten Tiefenrausch, einem narkoseähnlichen Zustand, der unterhalb einer gewissen Tauchtiefe auftritt, entgegenzuwirken. Die Rede ist von Helium. Ein verblüffendes Element, das auch in der Magnetresonanztomographie eine tragende Rolle spielt.

Den meisten bekannt als reaktionsarmes Edelgas, hat Helium viele Gesichter und die Palette seiner Einsatzbereiche ist breit. Voll besetzte Schalen von Elektronen verantworten das stoische Gemüt dieses Elements, dass sich nicht gerne mit anderen Stoffen verbindet. Diese chemische Eigenschaft machte es mitunter auch als Traggas für die Luftschifffahrt interessant, da es im Gegensatz zu Wasserstoff nicht entzündlich ist. Denken wir an Helium in der Industrie, finden wir es vor allem dort, wo eine immense Kühlung gefragt ist. Denn im flüssigen Zustand hat es eine Temperatur von -269° Celsius und nähert sich damit dem absoluten Nullpunkt an. Genau diese extrem tiefen Temperaturen sind bei vielen technischen Anwendungen unersetzlich.
Egal ob wir auf den Teilchenbeschleuniger des Kernforschungszentrums Cern in Genf oder auf die Technologie eines Magnetresonanztomographen blicken, eines eint sie – supraleitende Spulen im Herzen der Systeme, die ein sehr starkes Magnetfeld erzeugen. Doch damit diese Magnetspulen funktionieren und zu sogenannten Supraleitern werden, also elektrischen Strom nahezu ohne Widerstand transportieren, sind sie auf die extreme Kühlung durch flüssiges Helium angewiesen. Es ist das einzige Medium, das kalt genug ist, um Metallen ihren elektrischen Widerstand zu nehmen und sie dadurch erst befähigt, stabile und kraftvolle Magnetfelder aufzubauen.

Wie ein Magnetresonanztomograph aufgebaut ist und aus einem Magnetfeld schließlich ein facettenreiches, klinisches Bild erzeugt, erfahren Sie hier.

MRI imaging brain

Etwa ein Viertel des weltweiten Heliumverbrauchs gehen auf den Bedarf an extremer Kühlung von supraleitenden Magneten zurück. Und die Nachfrage ist steigend. Dabei ist Helium ein seltenes Element, zumindest hier auf der Erde. Es entsteht in der Erdkruste beim Zerfall verschiedener radioaktiver Elemente und lagert sich dabei entweder in Gesteinen ab oder sickert als ein Bestandteil in Erdgasblasen. Vulkanismus fördert es zutage, oder es muss durch aufwendige Verfahren aus Erdgas gefiltert werden. Angesichts dieser kostbaren Ressource ist ein kluger Umgang mit den vorhandenen Reserven ratsam – und so wird in vielen Bereichen nach Alternativen, Recyclingmöglichkeiten und vor allem auch Einsparungsmöglichkeiten gesucht. Das gilt auch für die medizintechnische Anwendung von Helium. Konventionelle Magnetresonanztomographen benötigen je nach Typ mehr als 1.000 Liter flüssiges Helium zur Kühlung1. Grund genug, um an neuen Möglichkeiten zu forschen.

Um den Bedarf an flüssigem Helium auf ein Minimum zu senken, konzentrieren sich künftige Technologien auf geschlossene Kreisläufe. Ziel ist es dabei, die Masse der Teile, die eine starke Kühlung benötigen, zu minimieren. Daneben sorgen optimal aufeinander abstimmte Magnetkomponenten dafür, dass insgesamt weniger thermische Energie im System erzeugt wird. Der letzte Baustein dieser innovativen Technologie bilden dann hochoptimierte thermische Verbindungen, die eine sehr effiziente Ableitung der verbleibenden Wärme im System garantieren. In der Summe führen diese und weitere Maßnahmen künftig zu einer Reduktion des Heliumbedarfs auf unter einen Liter2.

Vergleich von aktueller zu moderner MRT Technologie

Künftige Technologien zur Einsparung von flüssigem Helium, auch DryCool Technologie3  genannt, beschränken die Masse der Teile, die eine starke Kühlung benötigen auf ein Minimum.

Unabhängiger von Helium zu agieren, schafft Vorteile in vielen Bereichen. Es ist zeitgemäßer, indem es kostbare Reserven aus der Umwelt schont. Außerdem verringern neue Technologien sowohl Aufwand als auch Kosten, die bei der Installation eines herkömmlichen MRT Systems normalerweise anfallen: So wurde bislang ein langes Quenchrohr benötigt, durch das im Falle einer Notabschaltung kaltes Helium direkt und sicher aus dem Gebäude in die Atmosphäre entweichen kann, da diese Maßnahme zu einem sofortigen Zusammenbruch des Magnetfeldes führt. Je nach Position des Magnetresonanztomographen im Gebäude, ist die Anbringung eines solchen „Helium-Kamins“ stets mit einem hohen baulichen Aufwand verbunden – etwas, dass manche MRT-Systeme künftig nicht mehr benötigen.

Neue Technologien vereinfachen die Installation eines MRT. Wo sonst ein Kran zum Einsatz käme, können neue Systeme viel einfacher an ihren Bestimmungsort gebracht werden.

Darüber hinaus verfügen neue MRT-Systeme zukünftig über einen verkleinerten Fußabdruck hinsichtlich Maße und Gewicht. Wo vorher oftmals Wände oder Dächer in Kliniken in aufwendigen Verfahren geöffnet werden mussten, um ein System an seinen Wirkungsplatz zu bringen, passt ein neuartiges System buchstäblich durch die Eingangstür.

Das spart Kosten und könnte künftig auch die Bereitstellung von MRT-Systemen an Standorten realistisch machen, denen vorher keinen Zugang zu dieser Technologie möglich war.

Eine vielsprechende Entwicklung, für Mensch und Umwelt gleichermaßen.


Von Doreen Pfeiffer
Doreen Pfeiffer is an editor at Siemens Healthineers.