Ein Gesundheitsdossier für das FürstentumIn der Rekordzeit von wenigen Monaten hat Liechtenstein eine nationale eHealth-Plattfom eingeführt. Das gelang, weil Bewährtes genutzt wurde – und alle an einem Strang zogen.

29.04.2024

Viele Länder arbeiten an elektronischen eHealth-Plattformen. Aber häufig gibt es Verzögerungen, mitunter um Jahre. Das Fürstentum Liechtenstein ist ein Gegenbeispiel: In den Jahren 2022/2023 hat die Regierung dort ein nationales elektronisches Gesundheitsdossier (eGD) für die rund 40.000 Bürgerinnen und Bürger eingeführt. Es basiert auf der Lösung eHealth Solutions von Siemens Healthineers.

Gesucht war eine bürger*innenzentrierte Lösung, die medizinischen Einrichtungen Zugriff auf behandlungsrelevante Patientendaten ermöglicht und so zu einer besseren Versorgungsqualität und mehr Patientensicherheit beiträgt. „Mittel- und langfristig wollen wir auch eine Kostenreduktion bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung erreichen“, beschreibt Gabriela Rüdisser, Stellvertretende Amtsleiterin des Amtes für Gesundheit der Liechtensteinischen Landesverwaltung, den Anspruch des liechtensteinischen eGD-Projekts.

Eine wichtige Anforderung dabei betraf die Einbindung des eGD in die existierende digitale ID-Landschaft in Liechtenstein. „Wir wollten die liechtensteinische eID als einziges Login-Mittel nutzen. Das musste die Lösung leisten können“, erläutert Martin Matt, Leiter des Amts für Informatik in Liechtenstein. Die eID ist die digitale Bürger-ID im Staat Liechtenstein. Wer auf das eGD zugreifen will, braucht sie und muss sich dafür einmalig freischalten lassen.

Nach der Ausschreibung im Jahr 2021 wurde der Zuschlag für das eGD im Februar 2022 an Siemens Healthineers erteilt: „Überzeugt hat uns vor allem, dass es sich um eine bewährte Plattform handelt, die unter anderem bei der elektronischen Gesundheitsakte ELGA in Österreich seit vielen Jahren erfolgreich im Einsatz ist“, so Rüdisser. Unmittelbar nach dem Zuschlag ging die Arbeit los: Während das Amt für Gesundheit als Auftraggeber für das eGD fungierte, war das Amt für Informatik zuständig für die Umsetzung. Die Gesamtprojektleitung hatte Martin Kalberer von der Schweizer CSP AG als externer Projektmanager. Dieses Setup war sehr erfolgreich: Schon im Januar 2023, nach nicht mal einem Jahr, ging das eGD live.

Seit Juli 2023 sind rund 527 medizinische Einrichtungen in Liechtenstein – Krankenhäuser, Arztpraxen, Zahnärzt*innen Apotheken, Pflegeeinrichtungen, ein Labor sowie Chiropraktiker und -praktikerinnen – verpflichtet, das eGD zu befüllen. Stand Ende November seien knapp 70.000 Dokumente ins eGD hochgeladen worden, so Jakob Becker vom Amt für Gesundheit. Das ist nicht wenig bei einer Bevölkerung von rund 40.000. Welche Dokumente das sind, wird in dem 2021 verabschiedeten eGD-Gesetz definiert: Arztberichte und Zuweisungsbriefe, Überweisungsformulare, stationäre Austrittsberichte, außerdem Laborbefunde, Befunde der bildgebenden Diagnostik und die Rezepte für die Medikation.

Eine Einrichtung, die sehr viele Dokumente hochlädt, ist das Landesspital Liechtenstein, mit rund 2.000 stationären und circa 9.500 ambulanten Patient*innenfällen pro Jahr die größte medizinische Einrichtung im Fürstentum. Entscheidend aus Spitalsicht sei gewesen, dass es eine IT-Schnittstelle aus dem Klinikinformationssystem zum eGD gebe, sagt Sandra Copeland, Vorsitzende der Spitalleitung: „Der Aufwand für das Personal sollte möglichst klein oder am besten gar nicht vorhanden sein.“

Eine solche Schnittstelle stellt Siemens Healthineers zur Verfügung, und das Spital hat sie umgesetzt: „Der Dokumenten-Upload erfolgt nachts, die Mitarbeitenden bekommen davon praktisch nichts mit“, so Copeland. Bei der Aufnahme von Patient*innen arbeitet das Spital derzeit noch nicht mit dem eGD. Das soll aber bald kommen: „Perspektivisch sollte das eGD helfen, Grenzen zwischen den Einrichtungen abzubauen“, denkt die Spitalchefin schon weiter. Das würde uns im Spital das Leben leichter machen, aber auch den Patientinnen und Patienten Vorteile bieten.“

Warum funktionierte die eGD-Einführung in Liechtenstein so reibungslos und schnell? Die Stichworte lauten solides regulatorisches Fundament, stringentes Projektmanagement und – Team-Spirit. „Wir haben das eGD-Gesetz bewusst nur als Rahmengesetz ausgestaltet“, so Rüdisser. Details – insbesondere die genaue Ausgestaltung der eGD-Inhalte – wurden nicht politisch „verordnet“, sondern von Seiten der Anwender*innen definiert. „Insbesondere die Beteiligung der Ärztekammer hatte einen sehr hohen Stellenwert“, sagt Projektmanager Kalberer.

Auch auf die Einbindung der Primärsystemhersteller wurde geachtet. Dafür gab es ein eigenes Teilprojekt. So konnten wir viel Widerstand verhindern.“ Und dann war da noch der Faktor Kommunikation: Informationen über das eGD gab es nicht nur in den Medien und online, sondern auch im Briefkasten jedes einzelnen Haushalts per Postwurfsendung. Telefonisch sind die eGD-Verantwortlichen im Amt für Gesundheit ebenfalls zu erreichen.

Rundum positiv sieht auch Amtsleiter des Amtes für Informatik Martin Matt die Einführung der nationalen Patient*innenakte: „Für mich ist das ein Mustererfolgsprojekt. Alle Projektpartner*innen sind zufrieden, und auch im Fachausschuss habe ich nur Positives gehört.“ Abgeschlossen ist das eGD-Projekt allerdings noch lange nicht. Die nächsten Ausbaustufen sind eine strukturierte Medikationsliste und, wichtig in Liechtenstein, die Anbindung kooperierender Einrichtungen in der angrenzenden Schweiz und auch in Vorarlberg. Das wird eine Herausforderung, aber vorerst zeigt Matt sich stolz: „Mit den neun Monaten von Zuschlag bis Go-Live haben wir einen eGD-Weltrekord aufgestellt.“

Erfahren Sie mehr über die in Liechtenstein eingesetzte Lösung.